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Leseprobe 1

 

Die Strafen waren im Laufe der Heilsgeschichte immer härter und heilsamer geworden. Die Konzilien von Reims 1157 und von Oxford 1160 hatten gegen Häretiker die Brandmarkung im Gesicht verhängt. Und selbst Innozenz III. drohte 1199 den Albigensern zunächst «nur» Verbannung und Konfiskation an. Dann aber wird die Todesstrafe häufiger. Und kamen auch verschiedene Hinrichtungsarten vor - in Köln, Nürnberg, Regensburg zeitweise das Ertränken der «Ketzer», in Würzburg das Köpfen -, so wurde doch der Feuertod für sie die Regel.

Die Verbrennung, meist an einem Feiertag, machte die Kirche zu einer Demonstration ihrer faktischen Allmacht, zu einer pompösen rituellen Opferung, attraktiver als jedes andere Kirchenfest. Die Sache hieß mit einem portugiesischen Ausdruck Autodafé, lateinisch actus fidel, war also ein Glaubensakt, fraglos der feurigste der Religionsgeschichte. Sonderreiter luden ein, in Prozessionen wurden die Volksscharen und die Verurteilten herbeigeführt, für Fensterplätze hohe Preise gezahlt und jedem Holz zum Scheiterhaufen schleppenden Christkatholiken war ein vollkommener Ablaß sicher - um diese großartige Möglichkeit ist die katholische Welt seit dem 19. Jahrhundert gebracht, denn das letzte Autodafe soll 1815 in Mexiko zelebriert worden sein (das erste 1481 in Sevilla).

Geistliche und weltliche Fürsten nahmen teil, und nachdem der Großinquisitor auf einem Platz oder in einem Gotteshaus nach Hochamt und Predigt die zum Tod Verdammten der weltlichen Macht überliefert hatte, nicht ohne den innigen Wunsch, «Leben und Glieder» dieser Leute zu schonen, wurden sie zur Richtstätte gebracht - ihrer aberwitzigen Verderbtheit wegen meist mit einem Narrenhut, in einem Sackgewand, grellgelb und voll der tollsten Teufelsvisagen, damit auch der dümmste Katholik gleich sah, welch Geistes Kind die Bösen waren; wobei man sie, in probater Nächstenliebe, auch gern mit Stockschlägen traktierte, mit glühenden Zangen zwickte und ihnen manchmal noch die rechte Hand abschlug. Auch bekamen, mit zarter Rücksicht auf das Gottesvolk, die «Ketzer» zur Verhinderung ihrer Schreie eine Art Bremse in den Mund, so daß man nichts hörte als das fast anheimelnde Knistern der Flammen und die Litanei der Pfaffen. Und während ihre Opfer, je nach Windrichtung, erstickten oder langsam verbrannten, sang die versammelte Gemeinheit, Adel, Volk und Klerisei, «Großer Gott, wir loben dich».

Die Inquisitionsgerichte waren die vornehmsten Gerichte der Kirche und jedem profanen Einfluß entzogen. Sie galten als unverletzlich und schmückten sich gewöhnlich mit den Attributen «heilig» und «hochheilig». Denn je dreckiger da eine Sache ist, desto mehr muß sie verbal vom Dreck befreit, muß sie geschönt, veredelt, ins Hehre, Erhabene gehoben werden.

Offizielle kirchliche Verlautbarungen oder Päpste wie Innozenz IV. und Clemens IV. verherrlichten die Inquisition in ihren Bullen vom 23. März 1254 und vom 26. Februar 1266. Auch die Inquisitoren selbst brachte man in eine erlauchte Ahnenreihe, in Konnex mit einer ganzen Galerie glorioser alttestamentlicher Gangster, mir Saul etwa, mit David (I 85 ff.!), Josua (I 83 f.) u. a. Doch auch Jesus, Johannes der Täufer, Petrus zählten zum Stammbaum des Inquisitors. Ja, Gott selbst, der Vertreiber von Adam und Eva aus dem Paradies, galt geradezu als erster «Inquisitor». Jedenfalls waren diese Mordbuben Beauftragte des Papstes. Unentwegt und überall führten sie ihre Vollmacht einzig und allein auf ihn zurück.

INQUISITIONSGEFÄNGNISSE, ORTE UNAUSDENKBAREN GRAUENS

Eröffnet wurde das Inquisitionsgericht durch eine Anrufung des Heiligen Geistes, und auch vor der Urteilsverkündung betete man. Das Urteil freilich war, sogar bei großem Zweifel, jeder Nachprüfung durch staatliche Gerichtshöfe entzogen. Diese fungierten nur als ausführende Werkzeuge der kirchlichen, deren Sentenzen sie «blindlings» (coeca obedientia), «mit geschlossenen Augen!» (oculis clausis) zu vollstrecken hatten.

Zahlreiche päpstliche Bullen schärften den Fürsten ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit ein. Nicht nur die Dogen von Venedig waren schließlich durch einen Amtseid verpflichtet, alle Häretiker zu verbrennen. Und der Welfe Otto IV. wollte ebenso «wirksame Unterstützung» bei der Ausrottung der «ketzerischen Bosheit» leisten wie sein Gegner, der Staufer Friedrich II., der jedoch noch weiter, am weitesten ging und von seinen sämtlichen Machthabern, Konsuln, Rektoren verlangte, «daß sie in ihren Landen alle von der Kirche bezeichneten Ketzer nach Kräften auszurotten bemüht sind». Dies mußten sie öffentlich beschwören, widrigenfalls sie Absetzung und der Verlust ihres Landes traf, was weithin wirkte.

Energisch drangen die Päpste darauf, daß alle Befehle und Forderungen der Inquisitoren rasch zu erfüllen, daß diesen selbst durch den Staat Geleitwachen zu stellen waren, vor allem aber, daß die Inquisitionserlasse in die weltlichen Gesetzessammlungen kamen. So schreibt Innozenz IV. in seiner Bulle «Cum adversus haereticam» vom 28. Mai 1252: «Da der römische Kaiser Friedrich gegen die ketzerische Bosheit gewisse Gesetze erlassen hat, durch welche die Ausbreitung dieser Pest verhindert werden kann, und da wir wollen, daß diese Gesetze zur Stärkung des Glaubens und zum Heile der Gläubigen beobachtet werden, so befehlen wir den geliebten Söhnen, die die Obrigkeit bilden, daß sie diese Gesetze, deren Wortlaut wir mitschicken, in ihre Statuten aufnehmen und daß sie mit großer Emsigkeit gegen die Ketzer vorgehen. Deshalb befehlen wir euch [Inquisitoren], daß, wenn diese Obrigkeiten unsere Befehle nachlässig erfüllen, ihr sie durch Exkommunikation und Interdikt dazu zwingt ... Die vom katholischen Glauben Abfallenden verfluchen wir ganz und gar, wir verfolgen sie mit Strafen, wir berauben sie ihrer Vermögen; ihre Erbfolge heben wir auf, alle Rechte erkennen wir ihnen ab.»

Die übliche Strafe für «Ketzer» wurde die Einkerkerung, oft lebenslänglich. In einem nur teilweise tradierten Urteilsregister der Inquisition von Toulouse aus den Jahren 1246 bis 1248 mußten von 149 Eingekerkerten 6 zehn Jahre, 16 eine unbestimmte Zeit, je nach Gutdünken der Kirche, und 127 lebenslänglich büßen.

Die Inquisitionsgefängnisse waren Orte nicht ausdenkbaren Grauens, nach päpstlicher Anweisung eng und dunkel; gewöhnlich ohne jede Beleuchtung und Ventilation, aber voller Unrat, Gestank. Und in diesen durch den Klerus vollgestopften Stätten, die bald zu klein wurden, weshalb Gregor IX. den Bau weiterer befahl und dazu beisteuernden Christen reichlich Ablässe verlieh, verbüßten Menschen eine Strafe, die noch weit schlimmer war als der rasche Tod auf dem Scheiterhaufen, schmachteten Frauen und Männer oft viele Jahre, ohne verurteilt oder freigesprochen zu sein. So wurde ein Mann namens Wilhelm Salavert am 24. Februar 1300 erstmals verhört und am 30. September 1319 verurteilt, nach neunzehnjährigem pausenlosem Elend. In Toulouse wurde eine Frau «zum Kreuztragen begnadigt», nachdem sie 33 Jahre lang in den dortigen Gefängnissen gelegen.

(entnommen aus Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 7, (Seiten 260ff.)

Leseprobe 2

DIE FOLTER, DAS BEEINDRUCKENDSTE INSTRUMENT CHRISTLICHER NÄCHSTENLIEBE

Von den drei Überführungsarten der Inquisition, Reinigung, Abschwörung, Folter, «Ist die Folter das geeignetste. Weil die Ketzerei schwer zu beweisen ist, soll der Inquisitionsrichter geneigt sein zur Anwendung der Folter: ad torturam judex debet esse promptior» (Antonius Diana, Konsultor der sizilischen Inquisition).

Die Folter hatte schon der hl. Bischof und Kirchenlehrer Augustinus, das Urbild aller mittelalterlichen «Ketzer»-Jäger, gegen die Donatisten gestattet, die Folter quasi als Bagatelle gegenüber der Hölle verteidigt, geradezu als eine «Kur», emendatio (I 485).

Die augustinische «Ketzer»-Polemik baute im 11. Jahrhundert u. a. Bischof Anselm von Lucca, 1080 von seinen eigenen Klerikern vertrieben, systematisch aus, wobei er Augustin ganz richtig versteht: ein Vorgehen gegen die Bösen sei eigentlich kein Verfolgen, sondern eine Äußerung der Liebe. Auch Bischof Bonizo von Sutri, der Schismatiker und schlimmere Abweichler «mit allen Kräften und Waffen zu bekriegen» aufruft und von seinen Christen 1089 geblendet und verstümmelt wird, zögert nicht, Augustin die Worte in den Mund zu legen, «daß diejenigen selig seien, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung ausüben».

Nördlich der Alpen kam das beeindruckendste Instrument christlicher Nächstenliebe schon in karolingischer Zeit zur Anwendung, begann aber erst im 13. Jahrhundert zu florieren, als Innozenz IV. in der Bulle «Ad exstirpanda» 1252 die Folter gegen norditalienische «Ketzer» vorschrieb und kanonisch regelte. 1256 wurde dies auf ganz Italien ausgeweitet und in den nächsten Jahren von den Päpsten Alexander IV. und Clemens IV. bestätigt. 1261 erlaubte Urban IV., daß Inquisitoren, denen bei dieser etwas robusteren Art der Meinungserforschung ein Delinquent starb, sich gegenseitig absolvieren können. Denn zu Tode foltern durfte man einen «Befragten» nicht. In diesem Fall verfiel der Inquisitor der Exkommunikation. Er wurde allerdings sofort befreit davon, sprach ein Priester der Inquisition ihn los durch die Formel: Ego te absolvo.

(entnommen aus Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 7, Seite 266f)

 

Kriminalgeschichte
des Christentums

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