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Leseprobe

Bekämpfte das Christentum Juden und «Ketzer» von Anfang an mit allein «heiligen» Zorn, so hielt es sich zunächst etwas zurück gegenüber den Heiden, von den christlichen Schriftstellern des 4. Jahrhunderts «Héllenes» und «éthne» genannt. Der sehr komplexe, sowohl den religiösen Kult wie die Intelligenz umfassende Begriff. «Heidentum» schloß nur Christen, Juden und später Mohammedaner aus. Er entstammt natürlich nicht der Wissenschaft, sondern der Theologie, geht auf spätjüdisch-neutestamentliche Zeit zurück und ist entsprechend negativ abgestempelt. Im Lateinischen übertrug man ihn zunächst mit «gentes» (nach dem hl. Ambrosius: die «arma diaboli»), dann, als die Anhänger der alten Religion meist nur noch auf dem Land lebten, finit «pagani», «paganus». Das Wort zur Bezeichnung des Nichtchristen, erstmals in zwei lateinischen Inschriften des beginnenden 4. Jahrhunderts erscheinend, bedeutete im weltlichen Sprachgebrauch «ländlich», aber auch «zivil» im Gegensatz zu «militärisch». «Pagani», Menschen also, die nicht Soldaten Christi waren, wurde im Gothischen mit «thiudos», «haithns», übersetzt, im Althochdeutschen mit «heidan», «haidano», vermutlich: Wilder!

Mit diesen «Wilden» ging das Christentum anfangs ziemlich sanft um. Ein bemerkenswertes Fakturn. Kündigt es doch die jahrtausendelange Taktik der Großkirche an, Majoritäten möglichst zu schonen, um, von ihnen geduldet, erst selbst überleben, dann sie, falls möglich, vernichten zu können. Bei Mehrheit: gegenToleranz, ohne sie: dafür -der klassische Katholizismus bis heute! Freilich erklärte noch in unseren Tagen auch Karl Barth, der reformierte Theologe und religiöse Sozialist, die Religionen enthielten nichts als Abgötterei und müßten «vollkommen ausgerottet werden, um der Offenbarung Platz zu machen».

Die Christen erschienen den Heiden zunächst nur als judaistische Sekte, jüdische Dissidenten, auf die man um so mehr die Abneigung gegen die Juden übertrug, als sie auch deren Intoleranz und religiösen Dünkel teilten, doch nicht einmal, wie diese, eine einheitliche Nation repräsentierten. Bald in ungezählte Gruppen zersplittert, galten sie den Altgläubigen überdies als «gottlos». Auch mieden sie das öffentliche Leben, was sie moralisch anrüchig machte. Kurz, man verachtete sie weithin, legte ihnen Pest und Hungersnot zur Last und schrie gelegentlich wohl auch: «Die Christen vor die Löwen!» - (für einen jüdischen Autoren, notiert Leon Poliakov: ein seltsam bekannter Ton). So schrieben die Kirchenväter der vorkonstantinischen Zeit religiöse Toleranz groß, so machten sie aus ihrer Not eine strahlende Tugend, verlangten fortgesetzt Kultfreiheit, Rücksicht, beteuerten ihre Langmut, Güte, behaupteten, noch auf Erden zu sein, doch schon im Himmel zu wandeln, alle zu lieben, keinen zu hassen, nichts Böses mit Bösem zu vergelten, Unrecht lieber zu ertragen als hervorzurufen, nicht zu prozessieren, zu rauben, zu schlagen, zu töten.

War bei den Heiden auch beinah alles «schändlich», fanden die Christen sich selber «rechtschaffen und heilig». «Und weil sie wissen, daß jene im Irrtum sind, lassen sie sich von ihnen schlagen . . . «Athenagoras belehrt um 177 die heidnischen Kaiser, «daß man einem jeden die Götter seiner Wahl lassen muß». Um 200 plädiert auch Tertullian für Religionsfreiheit; der eine möge zum Himmel, der andere zum Altar der Fides beten, der eine Gott verehren, der andere den Jupiter; es sei «ein Menschenrecht und eine Sache natürlicher Freiheit für jeden, das zu verehren, was er für gut hält, und die Gottesverehrung des einen bringt dem anderen weder Schaden noch Nutzen . . . «Origenes nennt noch eine lange Reihe von Gemeinsamkeiten heidnischer und christlicher Religion, um deren eignes Renommee zu heben, duldet auch keinerlei Schmähung der Götter, selbst nicht bei eklatantem Unrecht.

entnommen aus: Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 1, Seite 184 f.

 

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