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Vorwort zur 10. Auflage

»The saure procedure« ...
oder »The american way of history«

Seit Ende des letzten Golfkrieges, des so genannten zweiten, womit dieses Buch schließt, ist ein Jahrzehnt vergangen, und nun droht eil: dritter Golfkrieg. Dabei wurden während des zweiten Krieges am Persischen Golf bei den ersten Attacken der USA und ihrer Komplizen 200 000 Menschen zusammengebombt, dann durch weitere Angriffe und ein stetig fortgesetztes, äußerst effizientes Embargo, durch einen stillen Massenmord, so schätzt man, vielleicht bis zu zwei Millionen Menschen getötet, darunter 500 000 irakische Kinder. Nach ihren Gefühlen befragt, kommentierte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright: »Das ist der Preis«. Das gegenwärtige Haupt der »Neuen Weltordnung« aber avisiert uns inzwischen immer wieder den nächsten, den dritten Golfkrieg, als werde er ein wahrhaft weltbeschenkendes Werk. Und zumindest das Walten der Vorsehun•, ist wunderbar, scheint es doch, als habe Bush-Vater bei all den Blutopfern am Golf den schlimmsten Schurken dort nur deshalb überleben lassen, damit Bush-Sohn ihn abermals bekriegen kann (s. S. 361 Mitte).

Anlässlich der zehnten Auflage dieser Taschenbuchausgabe wurde angeregt, wenigstens in einem Vorwort, und sei es auch bloß skizzenhaft, den jüngsten Spuren des »Molochs« zu folgen, was ich umso lieber tue, als dieser seine krummen Wege nur allzu yankeehaft fortsetzt.

Denn die »Neue Weltordnung« ist immer noch die alte! Die Geschichte wiederholt sich. Wiederholt sich, im Wesentlichen, stets und überall. Und seit dem »11. September« ist nicht, wie seinerzeit Schwachköpfe und Situationisten rund um den Erdkreis papageiten. »alles anders«. Es ist genauso. Es ist kein Jota anders. Es ist wie immer.

Zunächst bereinigte man gegen Ende des zweiten christlichen Jahrtausends das Balkanproblem - denn wofür haben wir eine Armee, wie die Außenministerin sagte, wofür steckt man mehr Geld in die Rüstung als die ganze westliche Welt zusammen? Im Kosovo errichteten die USA die größte Waffenbasis seit dem Vietnamkrieg, die Anlage »eines Sprungbretts für künftige Interventionen ...« , nicht nur für regionale. Worum es geht, lehrt ein Blick in den Atlas (die meisten Amerikaner, verrät uns Gore Vidal, der Sprössling der amerikanischen power elite, wissen gar nicht, was das Wort Atlas bedeutet, geschweige denn, sie hätten einen), lehrt ein Blick auf die »neue Seidenstraßen-Strategie«, das heißt auf das ökonomische und geostrategische Interesse der USA, der NATO, an Zentralasien, am Kaukasus, am Kaspischen Meer. Denn dort wartet Beute, warten Schätze in verlockender Fülle, Uran, Gold, Erdgas und ungeheure Ölvorkommen (schon im Vietnamkrieg spielte das Öl eine große Rolle), mögen es nun 14 oder 30 Milliarden Tonnen sein, »die wahrscheinlich letzten noch nicht angezapften Erdölreserven der Welt«, wie ein Wirtschaftsjournal schreibt.

Einer der wichtigsten Transitwege dorthin führt durch den »Korridor« des Balkans. Und nicht zuletzt deswegen musste Jugoslawien aufgebrochen und zerstückelt werden - Jugoslawien, dieser störrische Riegel auf dem Weg zum Glück, zur ökonomischen Globalisierung, überdies ein Außenseiter der »Völkergemeinschaft«, die Serben eine Rasse des Abschaums, die gar nicht zur »Völkergemeinschaft« zählen.

Dabei leistete Deutschland, die Regierung Kohl/Genscher, Schrittmacherdienste im Verfolgen einer freilich älteren traditionell antiserbischen Teufelei Österreich-Ungarns und des Papsttums. Und 1914 forderte Wilhelm II.: »Mit den Serben muss aufgeräumt werden, und zwar bald. Jetzt oder nie!« Jahrzehnte später suchte Hitler die »serbische Verbrecherclique« endgültig zu beseitigen. Ein halbes Jahrhundert darauf, am 24. Mai 1992, nannte Außenminister Klaus Kinkel die Aufgabe der deutschen Politik: »Wir müssen Serbien in die Knie zwingen«.

Der diplomatische Versuch, die Bundesrepublik Jugoslawien zu destabilisieren, in möglichst viele Gebiete und Gruppen aufzulösen, zu zerbrechen, war durch die USA und Deutschland spätestens zu Beginn der achtziger Jahre erfolgt, die faktische Zerschlagung der jugoslawischen Souveränität aber zu Beginn der neunziger Jahre. Deutschland hatte damals Slowenien und Kroatien im Alleingang - gegen EU, UNO, KSZE - anerkannt; Kanzler Kohl konstatierte »einen großen Erfolg für uns«.

Es war der Schritt, der zum Krieg führte, zum Sezessionskrieg, zu einer Reihe von Sezessionskriegen. »Es war das erste Mal«, so seinerzeit ein deutscher Diplomat, »dass Deutschland andere dazu brachte, zu tun, was sie nicht wollten. Wir hatten ein paar Verbündete, nicht sehr viele, plus den Papst."

Und die USA.

»The war in Bosnia was America's war in every sense of the world«, schreibt Sir Alfred Sherman. »Die US-Regierung sorgte für seinen Beginn, sorgte für seinen Fortgang und verhinderte sein frühes Ende.«
Die US-Regierung aber war auch weiterhin besorgt. Und weil sie besorgt war, folgte dem Bosnien-Krieg der Kosovo-Krieg, dem Kosovo-Krieg der Krieg gegen Serbien, alles - in guter alter Piratenmanier - ohne Kriegserklärung. Und alles traf viel weniger die serbische Armee, deren Attrappen einmal beiseite, als die Zivilbevölkerung, denn man wollte ja humanitäre Hilfe leisten!

Dabei missachtete und verletzte man schwer internationales und nationales Recht, internationale und nationale Verträge, Deklarationen, Konventionen, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Konvention über Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, die Haager Abkommen, die Genfer Abkommen, die UNO-Charta, den NATO-Vertrag, die Bundesverfassung und Gesetze der USA, die Grundgesetze anderer Staaten, zum Beispiel das Grundgesetz für die deutsche Bundesrepublik, das deutsche Soldatengesetz, den Zwei-plus-Vier-Vertrag. Und dieses Vorgehen erfuhr zynisch die Rechtfertigung, halt mal weniger de lege lata als de lege ferenda ausgegangen zu sein, weniger vom bereits geschaffenen als vom erst noch zu schaffenden Recht.

Das alles aber negierte man der humanitären Hilfe wegen. Und eben deshalb auch tötete und verwundete man in einem »Fernkrieg«, einem »feigen Krieg«, ganz nach bewährter US-Methode, tausende Serben, Albaner, Roma, Moslems, Katholiken und andere, wobei nach einer UNICEF-Erhebung jedes dritte Todesopfer der NATOBombardements ein Kind war.

Man warf zu Beginn des Überfalls aus 350, gegen Ende aus fast 1200 Flugzeugen, darunter zwei Drittel amerikanische Maschinen, zigtausende von Bomben auf Krankenhäuser, Kirchen, Schulen, Moscheen, Wohnbezirke und dicht bevölkerte Plätze. Der Einsatz von Streu-, Splitter-, Clusterbomben ist an sich schon völkerrechtswidrig, da diese laut UNO-Konvention (1980) zu den »inhumanen Waffen« zählen und seit 1949 ohnehin durch die Genfer Konvention verboten sind. Dabei schließt die NATO selbst nicht aus, dass noch immer bis zu 30 000 »scharfe«, das heißt nicht explodierte Splitterbomben »auf dem früheren Kriegsschauplatz« liegen - jene nicht mitgerechnet, die wegen der Gefahr der Bomber beim Landen massenweise in der italienischen Adria verschwanden. (UNO-Angaben zufolge verloren nach Ende des Golfkrieges im Irak durch herumliegende Splitterbomben noch mindestens 2600 Zivilisten, zumeist Kinder, ihr Leben.)

Als besonders menschenverachtend erwiesen sich die Angriffe der Verteidiger der Menschenrechte auf die Lebensgrundlagen Jugoslawiens, auf alles, was für seine Bevölkerung einfach unerlässlich war, in der Absicht, diese abzuschneiden von Wasser, Lebensmitteln, elektrischer Energie und medizinischer Versorgung. So ruinierte und zerstörte man systematisch durch Raketenbeschuss, durch Bombardements aus der Luft, wie Ramsey Clark ausführt, Einrichtungen der Nahrungsmittelproduktion und -Lagerung, Wasserwerke und landwirtschaftliche Bewässerungsanlagen, Fabriken für Düngemittel und Pflanzenschutz, pharmazeutische Betriebe sowie sonstige für das menschliche Überleben notwendige Objekte.

Auch geißelt Clark, einst Justizminister der USA, dann Organisator von Tribunalen gegen US-Kriegsverbrechen an Bertrand Russels Seite, die zahlreichen Umweltvergehen - zumal die von den Vereinigten Staaten im Kosovo und im übrigen Serbien mit angereichertem Uran eingesetzten Raketen, Bomben und Geschosse radioaktive Substanzen in der Atmosphäre, im Boden, im Grundwasser und damit in der Nahrungskette verbreiten. »Dadurch setzen sie die jugoslawische Bevölkerung für Generationen der Gefahr von Tod, genetischen Schäden, Krebs, Tumorerkrankungen, Leukämie und anderen gesundheitlichen Schäden aus.«

Für den kanadischen Wissenschaftler Michel Chossudovsky war deshalb der NATO-Krieg gegen Jugoslawien nicht nur »ein moderner Kolonialkrieg«, sondern auch - so lässt sich Altes und Neues schön verbinden - ein »Atomkrieg niedriger Intensität«. Und Alexander Solschenizyn brachte das Ganze auf den Punkt: Nachdem man die Vereinigten Nationen auf den Müll geschmissen und ihre Charta mit
Füßen getreten hatte, proklamierte die NATO der Welt für das 21. Jahrhundert »ein altes Gesetz - das des Dschungels: Der Stärkere hat immer Recht«.

Während aber die meisten Serben, vom Westen freilich kaum beachtet, in der Nachkriegszeit in noch tiefere Not gerieten als zuvor. kam der »11. September«, der Tag des terroristischen Angriffs unter bisher noch unbewiesener Führung des angeblich in Afghanistan operierenden Bin Laden auf das World Trade Center, das Symbol westlicher Wirtschaftsmacht. Und nun schrie man auf. Begreiflich. Denn jedes einzelne Opfer war zu viel.

Wer aber kannte die tieferen Ursachen? Wer von all den Aufschreienden kannte die Geschichte dahinter? Die verbrechensreiche Kette durch die Jahrhunderte? Die der letzten Jahrzehnte? Wer weiß schon, dass allein in dieser Zeit von den USA weit über zweihundert Militärinterventionen ohne UNO-Mandat ausgeführt, dass durch ihren Geheimdienst CIA zwischen 1949 und 1987 etwa sieben Millionen Menschen getötet worden sind? Ein Mitarbeiter von Untersuchungsausschüssen des US-Kongresses hat eine Mordliste der USSpitzeldienste erstellt, die zwischen 1949 und 1991 mehrere dutzend ausländischer Staatschefs entweder umgebracht oder umzubringen versucht haben; darunter Fidel Castro nach Berichten des US-Kongresses 8-mal, nach kubanischen Angaben 24-mal.

Nicht wenige dieser Leute wurden erst gemästet, dann geschlachtet. Investitionen müssen sich lohnen. Auch Hitler bekam Geld aus der Wallstreet. Auch John Foster Dulles, nachmaliger Adenauer-Freund und US-Außenminister, überbrachte dem »Führer« eine Milliarde Dollar. Zuvor schon hatte natürlich die US-Großfinanz in ihrer Fürsorge die italienischen Faschisten eingeschlossen. Und die Russische Revolution. Wie man ja auch den langen Krieg Iraks gegen Iran und selbst Saddam Hussein in jeder Weise gefördert hat. Und wie sogar Bin Laden und seine Organisation »Al-Qaida« unter der Ägide der CIA ausgebildet und von ihr - sowie dem pakistanischen Geheimdienst mithilfe von Drogenanbau in Pakistan - finanziert worden ist, während seinerzeit US-Präsident Ronald Reagan »mit ihnen für ein Gruppenfoto posierte und sie als moralisches Ebenbild der amerikanischen Gründungsväter hinstellte.«

Erst mästen, dann schlachten.

Vielleicht auch haben gewisse Kreise der USA den Schock des »11. September« besser verschmerzt als so mancher meint? Ich erinnere eindringlich an Pearl Harbor (s. S. 238f.). Vielleicht kam ihnen die Tragödie, wie die vom 7. Dezember 1941, gar zugute? Afghanistan war ein schöner Anfang, sozusagen. Dann in Kürze wieder der Irak? Ende August 2002, als ich dies schrieb, erklärte gerade US-Vizepräsident Dick Cheney in betonter Übereinstimmung mit der Regierung »einen Präventivschlag« gegen Saddam Hussein für »zwingend notwendig«.

Erleichtert der »11. September« nicht sogar eine unabsehbare Serie von Präventivschlägen? Von Angriffskriegen? Eroberungskriegen? Raubkriegen? Überall da, wo es den USA passt? Wo der Terrorismus durch Staatsterrorismus ausgerottet werden kann, angetrieben von immer offenkundigerer Gier, einem hypertrophen Größenwahn, einem schamlosen Schlachter-Kapitalismus, der doch allzu sehr an das Marx-Wort erinnert: »Das Kapital hat ein Grauen vor Abwesenheit von Profit, wie die Natur vor der Leere. Zehn Prozent und man kann sie haben. Zwanzig Prozent und sie werden lebhaft. 50 Prozent positiv waghalsig. Für 100 Prozent stampft man alle menschlichen Gesetze unter den Fuß. 300 Prozent und es gibt kein Verbrechen, das man nicht wagt, selbst auf die Gefahr des Galgens.«

Wobei die Galgen freilich für ihre Gegner vorgesehen sind. Der Welt aber drohen immer größere Armut, soziale Apartheid, Rassismus, ethnische Zwietracht; und dem eigenen Land schließlich stets neue Katastrophen auf dem Arbeits- und Aktienmarkt, Pleiten über Pleiten, immer weitere Enthüllungen zumal über Konzerne von geradezu ikonenhafter Reputation, Durchstechereien, Anlegerbetrug, Bilanzfälschungen, Gaunereien schändlichen Ausmaßes. Auch 200 Millionen Schusswaffen der US-Bürger schützen davor nicht. Aber eine riesige Massenverblödung erleichtert vieles.

Die indische Autorin Arundhati Roy hat die internationale Koalition gegen den Terror pointiert als Intrige der reichsten und mächtigsten Länder bezeichnet: »Sie produzieren und verkaufen fast alle Waffen der Welt, sie besitzen den größten Bestand an chemischen, biologischen und nuklearen Massenvernichtungswaffen. Sie haben die meisten Kriege geführt, sind die Hauptverantwortlichen der modernen Geschichte für Völkermorde, Unterwerfungen, ethnische Säuberungen und Menschenrechtsverletzungen, haben ungezählte Diktatoren und Despoten gefördert, bewaffnet und finanziert. Sie huldigen einem Kult der Gewalt, sie haben den Krieg förmlich zum Gott erhoben.«

Die Schriftstellerin erinnert an die gewaltigen Gasvorkommen und Ölreserven in dem an Afghanistan angrenzenden Turkmenistan, erinnert daran, dass sowohl Präsident George Bush junior als auch Vizepräsident Dick Cheney ihr Vermögen der Ölindustrie verdanken, und ruft ins Gedächtnis, dass die Sowjetunion und Amerika seit mehr als zwei Jahrzehnten Kriegsmaterial im Wert von etwa 45 Milliarden Dollar nach Afghanistan schafften - und dass in dieser Zeit eineinhalb Millionen Afghanen ihr Leben verloren. Und sie zitiert Präsident Bush: »Wir sind eine friedliche Nation ... Dies ist unsere Berufung. Die Berufung der Vereinigten Staaten von Amerika. Der freiesten Nation der Welt. Einer Nation, die sich auf fundamentale Werte gründet, gegen Hass, gegen Gewalt, gegen Mörder und gegen das Böse.«

Doch während man einerseits, die »Staatengemeinschaft« hinter sich, voranprescht und blutig die Hauptgewinne einstreicht, schließt man sich andererseits strikt aus. Denn obwohl die USA der größte Umweltverbrecher sind, obwohl sie verantwortlich zeichnen für ein Viertel aller C02-Emissionen (bei fünf Prozent der Weltbevölkerung) und für einen neunmal höheren Pro-Kopf-Verbrauch an Benzin als der Weltdurchschnitt, ignorieren sie jede neue Regelung zum Schutz von Klima, Natur und der so genannten Drittweltländer; und dies trotz drastischer Verschlechterung der sozialen und ökologischen Lage rund um den Globus. Auch boykottieren sie das neu gegründete Weltstrafgericht (ICC), ein für die Ahndung von Völkermord und anderen Kriegsvergehen zuständiges Tribunal. Jeden einzelnen ihrer Soldaten wollen die USA - wie begreiflich - einer gerechten Strafjustiz entziehen, sie wollen Generalimmunität für alle Schandtaten, die sie begehen. Kurz, im Frieden wie im Krieg: keinerlei Beschränkung ihrer nationalen Souveränität und globalen »Handlungsfreiheit«.

Als die Süddeutsche Zeitung 1999 in einem Interview den amerikanischen Schriftsteller Gore Vidal, Verwandter eines früheren US-Präsidenten und eines US-Vizepräsidenten, fragte, ob er den Abbruch seiner eigenen politischen Karriere nicht bedauere, könnte er doch heute statt seines Cousins Al Gore der nächste Präsidentschaftskandidat der Demokraten sein, erklärte er dies für unmöglich: »Weil ich das ganze System ablehne. Es ist durch und durch korrupt.«

Karlheinz Deschner

Leseprobe

«Ich bin bekannt für meine Ironie. Aber auf den Gedanken, im Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten, wäre selbst ich nicht gekommen.»

Bernhard Shaw

«Ich kenne kein Land, in dem allgemein weniger geistige Unabhängigkeit und weniger wahre Freiheit herrscht als in Amerika.»

A.C. Graf de Tocqueville

«Obgleich Amerika immer überzeugt gewesen ist, das Land der Freiheit par excellence zu sein (...), so gibt es doch kein zweites, in dem die Menschen unter einem mehr überwältigenden Zwang leben (...). Man hat einen tödlichen Haß für unzähmbare Menschen und reine Seelen (absolute souls).»

George de Santayana

«Ich meine, daß Amerika der größte Mißerfolg der Geschichte ist. Es ist ihm mehr, viel mehr gegeben worden als irgendeinem Land der Welt; aber wir haben unsere Seele verloren.»

Eugene O'Neill

«Amerika ist eine Mißgeburt.» «Ich hasse es nicht. Ich bedauere, daß Kolumbus es entdeckt hat.»

Sigmund Freud

«L'Amerique? C'est Revolution de la barbarie à la decadence, sans toucher la culture.»

Georges Clemenceau

EINLEITUNG

«Das einzigartige Volk»

Der Moloch - das ist laut Bibel der Gott der Bösen, der Gott der Kanaaniter, Ammoniter, der Götze, dem man Menschen schlachtet. Der Moloch - so definieren unsere Wörterbücher - ist jene Macht, die unersättlich Opfer heischt, immer neue Opfer, die alles zu verschlingen sucht. Der Moloch - das können also nicht sie sein, sie, das Heil, das Licht der Welt, «das helle Leuchtfeuer der Hoffnung», das «auserwählte Volk», «das Volk Israel unserer Zeit», das «neue Jerusalem», das seine «manifest destiny», seinen göttlichen Auftrag hat, als Vormund der Menschheit, als Führer zur Vollkommenheit, als etwas ganz Edles, Besonderes, über alle Länder Erhobenes und Erhabenes.

Doch all dies nicht etwa zu ihrem Segen nur, zu ihrem Vorteil und Profit, oh nein, zum Heil und Vorteil und Profit der ganzen Welt. Und das, obwohl die Welt doch rundum übel, verrottet ist, Verbrechen über Verbrechen häuft, obwohl sie Spitzel umherschickt, Terroristen stützt, kleine, große Konflikte schürt, Weltkriege entfesselt und die besten aller Staaten mit Kokain überschwemmt: sie, die Edelauslese der Nationen, «das einzigartige Volk» (Hermann Melville), das zwar, gewiß doch, auch Schwächen hat, Minimaldefekte sozusagen, beiläufige Schatten bloß in seiner lauleren Geradheit, Unschuld; während das Ausland, das lernen ihre Kleinsten schon, immer schuldig ist und eben deshalb von seinem Dreck durch sie gesäubert, erzogen, verschönt, mit ihren Idealen veredelt werden muß. Denn sie, die bestehen darauf, nie Kolonien gehabt zu haben, sie, die Unabhängigen, sie wollen auch andere nicht abhängig, sie, die Freien, sie wollen auch andere nicht unfrei machen, nein. Stets Bewacher nur der Welt sind sie, Beschützer, Retter, wahre Engel der Gerechtigkeit, Der Teufel, nun, das war zuletzt der Russe. Doch gibt's der Teufel viele, die Fülle, und sie nehmen gar mannigfache Formen, Verkörperungen, Nationalitäten an ... Nur einer bleibt fast immer rein: der Yankee.

So war es stets. So ist es noch. Kaum einer ihrer Präsidenten, der das nicht klar erkannt, der Welt nicht klar bekannt, beteuert hätte.
Keine Kriege mehr, bloß große Polizeiaktionen

Schon für John Adams (1797-1801), ihren zweiten Führer, sind die USA «ein herrlicher Plan der Vorsehung», ganz offenkundig bestimmt, den Teil der Menschheit, den Sklaverei noch knebelt, auf-zuklären, freizumachen. Nicht durch Krieg, oh nein, den führt ein Adams nicht. Rein defensiv bloß geht er gegen die bösen Franzosen vor und verliert so in einem Jahr mehr als 300 Kriegsschiffe.

Unter Thomas Jefferson, dem Nachfolger (1801-1809), der an den ewigen Frieden glaubt, der den Krieg überhaupt beseitigen will, wird am 16. März 1802 denn auch eines der ehrwürdigsten Kulturinstitute der Menschheit errichtet: die Militärakademie von West Point. Und jahrelang wird der Pascha von Tripolis bekämpft, der seinen Tribut erhöht, so daß auch Jefferson, leider, leider Kriegsschiffe ins Mittelmeer schicken muß. Ist doch, so Jefferson, Gründer gleichsam der Demokratischen Partei und einer der gefeiertsten, folgenreichsten Redner seiner Zeit, die «Bewahrung des heiligen Feuers» den Vereinigten Staaten anvertraut; «und Funken», schreibt Jefferson, «die von ihm sprühen, werden immer dazu dienen, es in anderen Bereichen des Erdkreises zu entfachen.» Vier Jahre Tripolis-Krieg also. Doch führt ihn der Präsident nur wegen des Friedens, der schönen «Funken». Gibt er Feuerbefehl nur wegen des «heiligen Feuers». Zwar verachtet er mitunter die Alte Welt ein bißchen. Aber bloß weil die Neue so viel besser ist, weil Europa beispielsweise «keinen Herrscher» hat, «dessen Talente oder Verdienste ausreichen würden, ihm auch nur den Anspruch auf eine Stellung in einem amerikanischen Kirchspiel zu verschaffen.»

So ist das.

Jefferson, mit George Washington, mit Abraham Lincoln einer der wichtigsten Begründer der modernen US-Gesellschaft und Gedankenwelt, wünschte, «ein Ozean voll Feuer würde zwischen uns und der alten Welt liegen.» Doch konnte er auch wieder generöser sein und dann dem «alten Europa» gestatten, sich auf die starken Schultern Amerikas zu stützen, «um so gut es kann, gefesselt an Pfaffen und Könige, neben uns herzuhumpeln.» Ein Samariter. Ein Edelmensch. Ein Halt wollte er dem alten, elenden, unter Pfaffen und Königen krankenden Kontinent sein, ein Helfer auf dem Weg in bessere Zeiten. Und so empfahl er in A Summery View of the Rigths of British Amenca Seiner Majestät König Georg III. von England Liberalität und Fortschritt - er, Jefferson, der dritte Präsident der USA und Besitzer von 200 schwarzen Sklaven, die er Abend für Abend zählen ließ; er, Jefferson, der sich regelmäßig mit einer seiner Sklavinnen, der attraktiven Sally Hemings, ergötzte. So zerschlug er die Rassenschranken und rief, während man allüberall in seinem Staat die Sklaven noch in Eisen legte: «Amerika wird für die Welt ein Signal sein, das die Menschen aufruft, die Ketten zu brechen ...»

Der Jeffersonismus setzte sich in ihren Edelköpfen fest. Amerika war friedlich. Es führte keine Kriege. Es stellte allenfalls, wenn es denn sein mußte - und oft mußte es sein, je größer es wurde, desto mehr -, die Ordnung wieder her. Nicht durch Kriege, durch Kreuzzüge, Katastrophen, oh nein. Durch große Polizeiaktionen sozusagen. Als Freund und Helfer aller. Als Ordnungsmacht. Immer gab es gute, beste Gründe zum Eingreifen, Schlichten, zum Friedenstiften gleichsam. Und natürlich greift man bloß ein, wenn alle humanen Mittel am bösen Feind versagen. Derart beginnt man 1812, nur kurz nach dem Tripolis-Krieg, den Krieg gegen England für die «Freiheit der Meere». 1845 kämpft man gegen Mexiko für «die Zivilisation». 1861 führt man den Bürgerkrieg für «die Einheit», 1898 den Krieg gegen Spanien für «die Demokratie». 1917 und 1941 streitet man gegen Deutschland und für den «Weltfrieden» schlechthin.

«... das gesetzloseste Volk der Erde»

Natürlich intervenieren die USA in ganz unterschiedlicher Weise. Das hängt vom Regierungssystem der anderen, ihrem ökonomischen Zustand ab, dem Grad ihrer Stärke oder Schwäche. Je beeinflußbarer, unselbständiger, je machtloser sie sind, desto massiver, rücksichtsloser werden gewöhnlich der Druck, die Drohungen, die Strafmittel Washingtons sein.
Denn seit es die USA gibt, schützen sie mehr die Gewalt, als daß sie vor Gewalt schützen.-

entnommen aus: Karlheinz Deschner: Der Moloch

 

Der Moloch

Leseprobe

siehe auch:
- Kurzbeschreibung
- Inhaltsverzeichnis
- Leseprobe
- Ausgaben / Bezugsquelle
- Pressestimmen
- Leserstimmen

 

 

entnommen aus:

     
           
 

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Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 23.12.2003 - Änderungen vorbehalten -