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Leseprobe

 

Vorwort des Autors

Es gibt keine bedeutende zeitgenössische deutsche Literatur Wir haben weder einen großen Epiker, noch einen großen Lyriker, noch einen großen Dramatiker. Wir haben aber eine riesengroße Propagandamaschine, das ist die Gruppe 47. Sie suggeriert aller Welt, was gar nicht existiert.
Denn unser letzter bedeutender Romancier war Jahnn. Unser letzter bedeutender Lyriker war Benn. Unser letzter bedeutender Dramatiker war Brecht. Kein lebender deutscher Schriftsteller kann sich mit ihnen vergleichen, weder aus dem kleinen Kreis der unterschätzten, noch gar aus dem großen der überschätzten Autoren.

Der "Ruhm" dieser Überschätzten schwindet im übrigen meist rascher als ihr Honorar.

Als ich, vor gar nicht langer Zeit, Gerd Gaiser kritisierte, war er einer unserer gefeiertsten Erzähler. Auch Bölls Stern, kein Zweifel, sinkt bereits, mögen die Auflagen seiner Bücher noch so sehr steigen.

Im Moment ist Grass der "große" Mann. Und er ist wie geschaffen dafür. Er schüttelt dem amerikanischen Präsidenten die Hand, und er schlüpft in die Uniform eines Zeitungsverkäufers. Er spickt die Reden des Berliner Bürgermeisters mit passenden Zitaten, und der Berliner Bürgermeister verschenkt Schallplatten mit der Stimme von Grass. Ja, der Meister demonstrierte sein Genie, indem er zu einer Lesung im New Yorker Goethe?Haus durchs Fenster stieg. Doch erklären seine total undichterischen Bücher, ihre wohl dosierte aura seminalis und die Zugehörigkeit zur Gruppe 47 den jähen "Ruhm" vollauf.

Überschätzung und Unterschätzung literarischer Werke resultieren oft aus vielen Faktoren, aus formalen, thematischen und persönlichen. Und daß man heute Schriftsteller "macht", wie eine Abführpille oder einen Politiker, wissen Sie alle. Nieten werden zu Mediokritäten, Mediokritäten zu Talenten, Talente zu Genies, und manchmal wird sogar ein Uwe Johnson über Nacht "berühmt".

Am raschesten avanciert man in der Gruppe 47. Und literarisch am schnellsten ruiniert ist, wer es mit ihr verdirbt.

Dünkel und Terror dieser Leute sind beachtlich. Kürzlich behauptete einer von ihnen in der Zürcher "Weltwoche" geradezu, es sei "ganz einfach (!) so: jeder, den ich hier mit Namen nennen wollte, würde energisch für sich in Anspruch nehmen, keineswegs "Anti-Gruppe 47" zu sein". Lauter Schleimscheißer, das könnte euch passen.

Gestatten Sie eine Abschweifung. Nach dem Erscheinen meiner Kirchengeschichte "Abermals krähte der Hahn" schrieb mir ein namhafter protestantischer Theologe: "Die katholische Kirche wird Sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgen. Sie wird vor nichts, aber auch wirklich vor nichts zurückschrecken." Nun, wie auch immer, in den Händen der Catholica fühle ich mich noch sicherer, als ich mich in den kollegialen Klauen der Gruppe 47 fühlte - ginge ich gegen sie vor. Doch bin ich nicht tollkühn.

Nein, diese harmlose Schrift attackiert nicht primär den Konzern (das kann eine spätere tun). Daß ihm die Mehrzahl meiner Delinquenten angehört, ist Zufall, oder richtiger, kommt einfach daher, weil die meisten unserer überschätzten, was allerdings kein Zufall ist, in der Gruppe 47 sind. Erst Enzensbergers verlogene Apologie "Die Clique" provozierte mich zu Randbemerkungen.

Was will ich?

Erstens will ich einige grotesk überschätzte Schriftsteller bloßstellen, denn, wie das Sprichwort sagt, kein schlimmerer Räuber als ein schlechtes Buch. (Das Titel-Wort "Dilettant" hat bekanntlich auch eine positive Bedeutung; hier natürlich nicht.) Zweitens will ich hinweisen auf ein paar zu wenig beachtete Autoren. Und drittens möchte ich etwas Aufmerksamkeit erregen für unsere "Kritik". Ein Schriftsteller, dem man Größe nachrühmt, auch wenn er noch unter Stefan Andres, Wolfgang Weyrauch oder, kaum denkbar, sogar unter Rolf Schroers steht, ist gewiß ein erbärmlicher Anblick. Aber Kritiker, die Kakographen zu großen Dichtern küren und große Dichter diffamieren, sind kläglicher.

Meine Methode?

Ich gehe vom Nächstliegenden aus und vom Wichtigsten der Sprache. Denn jede Literaturkritik muß zuerst Kritik an der Sprache sein, gründliche vokabuläre, syntaktische. grammatische, logische Kritik, genaue Analyse der Wortwahl, Bilder, Gleichnisse und Redefiguren. Ich bestreite nicht die Gültigkeit anderer Methoden, nicht die ideengeschichtliche, soziologische, psychologische, die mehr existenzbezogene, nicht einmal die heute etwas verfemte biographisch Methode. Aber warum sollte das Werk eines "Belletristen", der miserabel schreibt, noch unter anderen Aspekten interessieren? Versagt er in der Sprache, im Stil, versagt er in denn Material, mit dem er doch fortwährend arbeitet, mag ihn die katholische Kirche noch ernst nehmen oder die kommunistische Partei, ich nicht.

"Herausgepickte" Stellen? Oh nein. Ich habe - deshalb meine Beschränkung auf wenige Autoren, manchmal nur auf ein einziges Buch - in jedem Falle so viele Belege zitiert, daß sie ausreichen, einen Autor (oder einen Roman) überzeugend zu charakterisieren. Doch lassen sich die Belege leicht vervielfachen.

Ein intelligenter Funkredakteur antwortete mir einmal auf einen Artikel über Uwe Johnson, Gruppe 47 - der Sender hat seitdem keine Zeile mehr von mir gebracht -: alle Einzelheiten seien richtig, aber als Ganzes stimmten die Einzelheiten nicht. Ein stringenter Schluß. Umgekehrt können in einem Buch zahllose Einzelheiten schief oder falsch sein, und der Autor erhält trotzdem den Prix Formentor.

Gewiß steht auch bei Goethe Kitsch, bei Rilke, bei Jahnn. Jeder Schriftsteller, selbst der größte, entgleist, aber doch nicht permanent. Auch gibt es ein Niveau, das kein Genie betritt. Ganz zu schweigen davon, daß den Schwächen der hier Disqualifizierten keine große Leistung gegenübersteht.

Dieses Buch wird man totschweigen, das einfachste, erprobteste Mittel. Und man wird es diffamieren.

Ich vertraue auf den kritischen Leser.

Karlheinz Deschner

 

Talente Dichter Dilettanten

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Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 23.12.2003 - Änderungen vorbehalten -