> Werk > Kirchenkritik > Kirche und Faschismus > Leseprobe

 
         
 

Leseprobe

Vatikan und italienischer Faschismus

 

Obwohl Jesus selbst ein äußerst negatives Verhältnis zum Staat hatte, war Mitte des 8. Jahrhunderts unter Papst Stephan III. durch zwei blutige Kriege und eine gigantische, von der katholischen Kirchengeschichtsschreibung erst seit dem 19. Jahrhundert eingestandene Fälschung, die angebliche Konstantinische Schenkung, der Kirchenstaat entstanden. Länger als ein Jahrtausend trennte er den Norden und Süden Italiens, länger als ein Jahrtausend führten die Päpste darum Kriege und Raubzüge, galt er als angeblich unentbehrliche Grundlage ihrer Unabhängigkeit und Macht. Erst als die Italiener Rom besetzten und zu ihrer Hauptstadt ausriefen, verschwand dieser Kirchenstaat, entstand aber zugleich die «Römische Frage». Obwohl Italien die Stellung des Papstes großzügig regelte, auch zu seiner finanziellen Entschädigung bereit war (worauf der Vatikan freilich verzichtete, da er durch die Gläubigen aus aller Welt mehr erhielt), grollten Pius IX. und seine Nachfolger Leo XIII., Pius X., Benedikt XV. ein halbes Jahrhundert hindurch dem säkularisierten liberalen Italien. Der faschistischen Diktatur dagegen schenkte die Kurie bald ihre ganze Gunst.

Zwar war Mussolini ursprünglich viel kirchenfeindlicher als Hitler; er hatte die Schrift «Es gibt keinen Gott» und den Roman «Die Mätresse des Kardinals» verfaßt, dem Christentum einen gnadenlosen Kampf angekündigt und noch 1920 Religion Unsinn, religiöse Menschen krank genannt, auf die Dogmen gespuckt und beteuert: «Mit den Beschimpfungen der Pfaffen schmücke ich mich wie mit einem duftenden Blumenkranz.» Doch schon 1921 rühmte er den Vatikan und die von ihm ausstrahlende universelle Idee des Katholizismus derart, daß Kardinal Achille Ratti von Mailand ein Jahr vor seiner Papstwahl jubelte: «Mussolini macht schnelle Fortschritte und wird mit elementarer Kraft alles niederringen, was ihm in den Weg kommt. Mussolini ist ein wundervoller Mann. Hören Sie mich? Ein wundervoller Mann!» Und als Ratti am 5. Februar 1922 im vierzehnten Wahlgang Papst Pius XI. wurde, eilte Mussolini auf den Petersplatz, pries erneut «die Universalität des Papsttums» und kurz darauf brieflich auch den Papst als «einen Mann von umfassender historischer, politischer und philosophischer Bildung, der viel im Ausland gesehen hat und der die Situation Osteuropas gründlich kennt... Ich halte dafür, daß mit Pius XI. sich die Beziehungen zwischen Italien und dem Vatikan bessern werden».

Tatsächlich hatte die Zusammenarbeit der Kirche mit den Faschisten schon vor dem berühmten «Marsch auf Rom» begonnen. Man verstand sich früh, bekämpfte schließlich gemeinsam Kommunisten, Sozialisten, Liberale, regierte auf beiden Seiten autoritär und witterte in einem Bündnis große Vorteile.

Bereits am 22. Oktober 1922 forderte der Vatikan den italienischen Klerus auf, sich nicht mit dem (eindeutig faschistenfeindlichen) Partito Popolare, der katholischen Partei, zu identifizieren, sondern neutral zu bleiben, was eine offensichtliche Unterstützung Mussolinis bedeutete, der am 28. Oktober die Macht übernahm und am 20. Januar 1923 mit dem Kardinalstaatssekretär Gasparri geheime Besprechungen zu führen begann.

Der Vatikan verpflichtete sich zur Ausschaltung der katholischen Partei, da er von den Faschisten eine viel radikalere Bekämpfung der gemeinsamen Gegner erwarten konnte. Mussolini seinerseits sicherte deren Beseitigung und die Wahrung der kirchlichen «Rechte» zu.
Von nun an kollaborierte man immer enger und profitierte dabei wechselseitig. Mussolini, der zwar im Grunde seines Herzens Atheist blieb, sogar seine Reden gelegentlich mit antikatholischen und antipäpstlichen Spitzen versah, hob nun bald Presse? und Versammlungsfreiheit auf, führte den Religionsunterricht wieder ein, gab beschlagnahmte Kirchen und Klöster frei und beschützte die Prozessionen. Nicht zuletzt sanierte er die Finanzen des Heiligen Stuhles. Rettete er doch den «Banco di Roma», dem die Kurie und mehrere ihrer Hierarchen hohe Summen anvertraut hatten, auf Kosten des italienischen Staates mit ungefähr 1,5 Milliarden Lire vor dem Bankrott. Kardinal Vannutelli, Dekan des sogenannten Heiligen Kollegiums, erklärte daraufhin, Mussolini sei «auserwählt zur Rettung der Nation und zur Wiederherstellung ihres Glückes».

Der Vatikan erwies sich nicht als undankbar. Er schränkte den Einfluß des antifaschistischen Partito Popolare immer mehr ein, befahl dessen Führer, dem sizilianischen Geistlichen Sturzo, den Rücktritt und schließlich sogar das Ausscheiden aller Priester aus der katholischen Partei, was ihrer Auflösung gleichkam. Der Papst protestierte nicht einmal, als Mitglieder dieser Partei, darunter Priester, durch Faschisten überfallen und umgebracht wurden. Er protestierte erst recht nicht gegen die Ermordung einiger tausend Kommunisten und Sozialisten. Und selbst als der erbittertste Gegner Mussolinis, der junge Strafrechtslehrer und Sozialistenführer Giacomo Matteotti, der sein gesamtes großes Vermögen armen Bauern seiner Provinz gegeben hatte, von Faschisten verschleppt und bestialisch ermordet wurde, als die Entrüstung in Italien außerordentlich war und man vom König Mussolinis Absetzung forderte, sogar da stellte sich Pius XI. wiederum auf dessen Seite und verkündete am 20. Dezember 1926 aller Welt: «Mussolini wurde uns von der Vorsehung gesandt.»
In diesem Jahr nämlich, in dem der Papst endgültig die katholische Partei preisgab, wurden die Liberalen und Sozialisten, die eben noch über fünfzig Prozent aller Stimmen erhalten hatten, verboten, ihre Zeitungen unterdrückt, ihre Führer verhaftet und sämtliche Rechtsgarantien abgeschafft. Vor allem aber begannen jetzt jene Verhandlungen, die schließlich zum engsten Bündnis von Vatikan und Faschismus, zur Lösung der «Römischen Frage» führten, zu den Lateranverträgen. Denn hatte Mussolini mit Hilfe des Papstes die Diktatur erreicht, sollte nun auch der Papst auf seine Kosten kommen.

Jahrelang konferierte man geheim und meist bei Nacht: auf faschistischer Seite Staatsrat Domenico Barone, nach dessen Tod Mussolini selbst; auf vatikanischer Seite ein Bruder des späteren Papstes Pius XII., der Konsistorialadvokat Francesco Pacelli, der großen Anteil am Zustandekommen der Verträge hattet.

Die am 11. Februar 1929 unterzeichneten Lateranverträge steigerten einerseits das Ansehen der Faschisten außerordentlich, wie bald darauf das Konkordat mit Hitlerdeutschland das Prestige der Nazis, andererseits brachten sie der römischen Kurie gewaltige Vorteile. Zwar verzichtete sie endgültig auf die Wiederherstellung des Kirchenstaates und erkannte das Königreich Italien mit Rom als Hauptstadt an. Dafür aber erhielt der Papst uneingeschränkte Vollmacht auf dem Gebiet der Città del Vaticano sowie als Abfindung die ungeheure Summe von einer Milliarde in Staatspapieren und 750 Millionen Lire in bar - «das Kapital einer Weltbank», wie damals Francesco Nitti, der ehemalige italienische Ministerpräsident und frühere Professor der Finanzwissenschaft in Neapel, schrieb. «Ich bin der einzige Mensch», so führte Nitti weiter aus, «der außerhalb des Vatikans die finanzielle Lage der Kirche kennt. Ich besitze selbst Dokumente über ihre genauen Ausgaben und Einnahmen. Ich war Schatzminister während des Krieges, als die Einnahmen der verschiedenen Fonds kontrolliert wurden. Ich war Ministerpräsident, als die Kapitalsteuer eingeführt wurde. Ich habe kein Recht, Urkunden zu veröffentlichen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind; wohl habe ich das Recht zu sagen, daß diese Entschädigung, die ohne Vorgang in der ganzen Geschichte ist, absolut unerklärlich ist.»

Da außerdem in einem Konkordat der Katholizismus Staatsreligion, die Scheidung unmöglich, der Religionsunterricht obligatorisch und alle antikirchliche Aufklärung verboten wurde, ja der Staat sich verpflichtete, seine ganze Gesetzgebung mit dem kanonischen Recht abzustimmen, war die Kapitulation des Faschismus nahezu vollkommen und die geistige Unabhängigkeit Italiens abgeschafft. Die Kurie triumphierte. Nicht nur fanden in allen größeren Städten Italiens im Beisein prominenter Prälaten, Parteiführer und Militärs besonders feierliche Gottesdienste statt, bei denen die Bischöfe Mussolini und den Papst verherrlichten, sondern dieser selbst rühmte am 13. Februar 1929 Mussolini wieder einmal als den Mann, «den uns die Vorsehung gesandt hat».

Kein Wunder, wenn die gesamte katholische Welt jubelte, nicht zuletzt das gläubige Deutschland, wo die katholische Presse die Verbrüderung von Vatikan und Faschismus als die «Stunde Gottes» pries, als «das größte und glücklichste Ereignis, das die Weltgeschichte seit einem Jahrhundert erlebt» hat, und Mussolini den Zerschneider des gordischen Knotens nannte, - das «Feuer des guten Willens», den «Genius der Politik» und dergleichen mehr. Auch Adolf Hitler, der damals geradezu seherisch die Zeit nahen fühlte, «da der Papst es begrüßen wird, wenn die Kirche vor den Parteien des Zentrums durch den Nationalsozialismus dereinst in Schutz genommen werden wird», schien nicht minder glücklich als sein späterer Gefolgsmann Kardinal Faulhaber, der die Verträge als «Gottestat» feierte, oder der Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer, der Mussolini in einem Glückwunschtelegramm versicherte, sein Name werde in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen.

Selbstverständlich konnten zwischen zwei so totalitären Institutionen wie Vatikan und Faschismus Konflikte nicht ausbleiben. Sie entzündeten sich vor allem an der Frage der Jugenderziehung. Doch dachte Pius XI., der zu Beginn der dreißiger Jahre gewisse Gegensätze beklagte, gar nicht daran, die Partei zu verurteilen. «Wir haben nicht nur von formalen und ausführlichen Verurteilungen Abstand genommen, sondern sind sogar zu der Überzeugung gelangt, daß Kompromisse möglich sind. Wir haben daher Kompromisse begünstigt, die andere als unannehmbar ansahen. Es ist nicht Unsere Absicht, die Partei und das Regime zu verurteilen ... Wir sind bestrebt, nur jene Dinge im Programm und in der Tätigkeit der Partei zu verdammen, die im Gegensatz zur katholischen Lehre und Praxis stehen.»
Genau nach diesen Grundsätzen verfuhr die Kurie übrigens auch im Kirchenkampf mit Hitler, wie sich noch zeigen wird, wenn es dabei auch größere Unstimmigkeiten gab. In Italien arbeiteten Faschisten und Klerus bald wieder Hand in Hand. «Wir werden Uns immerfort dankbar an das erinnern», bekannte Pius Xl. 1931, «was zum Nutzen der Religion in Italien geschehen ist, selbst wenn die Wohltaten, die daraus der Partei und dem Regime erwuchsen, nicht geringer, ja vielleicht noch größer gewesen sind.» Auf der anderen Seite forderte Mussolini die Direktoren und Rektoren der Schulen nachdrücklich zur Lektüre des Neuen Testaments auf. Alle Professoren und Lehrer sollten es lesen und den Kindern nahebringen. «Es ist das größte und notwendigste aller Bücher», heißt es in einem Erlaß. «Die nationale Regierung will auf diese Weise die Kinder und durch die Kinder die Seele des italienischen Volkes auf den Weg bringen, auf dem das Vaterland zu seiner erhabenen und wahrhaften Größe gelangen soll.» Und Millionen italienischer Kinder sprachen das von der Kirehe verfaßte Gebet: «Duce, ich danke dir, daß du es mir ermöglicht hast, gesund und kräftig aufzuwachsen. O lieber Gott, behüte den Duce, damit er dem faschistischen Italien lange erhalten bleibt.» Überhaupt bestanden damals die Bücher der italienischen Grundschulen zu einem Drittel aus Katechismusstücken und Gebeten, zu zwei Dritteln aus Verherrlichungen des Faschismus und des Krieges, den man in Abessinien denn auch bald vom Zaun brach.

Seit 1933 hatte Mussolini den Überfall heimlich vorbereitet; wie Hitler, wollte auch er «Raum». Zwar war die Raumnot keineswegs sehr groß, gab es doch in Italien noch sehr viel unbebautes Land, das aber. den Großgrundbesitzern und der Kirche gehörte - mit beiden durften es die Faschisten nicht verderben. So führte man den Krieg gleichsam als eine Art «Agrarreform».

Während fast die ganze Welt die Aggression verdammte, unterstützte die katholische Kirche, besonders der hohe italienische Klerus, Mussolini. Selbst ein katholischer Autor gestand später: «Die gesamte Welt verdammte Mussolini, ausgenommen der Papst.» Am 27. August 1935, als die Kriegsvorbereitungen in Italien auf Hochtouren liefen, belehrte Pius Xl. (eingeflochten in viele Aufrufe zum Frieden) die Gläubigen und die Welt, ein Verteidigungskrieg zum Zwecke der Expansion einer wachsenden Bevölkerung könne gerecht und richtig sein. Ganz logisch erschlossen die katholischen Zeitungen aus dieser Papstrede ein «Naturrecht» Italiens auf den Krieg, «ein Anrecht», um mit der katholischen Wiener «Reichspost» zu sprechen, «auf die Durchführung einer abessinischen Expansion». Und die vatikanische Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica, eine der bedeutendsten Zeitschriften der Kirche und seit über hundert Jahren gleichsam die offizielle Stimme der «Gesellschaft Jesu», kam zu dem Schluß, daß die katholische Moraltheologie durchaus nicht jede gewaltsame Wirtschaftsausdehnung verurteile. Vielmehr dürfe ein Staat, der seine Hilfsmittel erschöpft und alle friedlichen Wege versucht habe, sich im Falle äußerster Not «durch gewaltsame Eroberung sein Recht nehmen».

Nur wenige Tage nach der Papstrede, vier Wochen vor Kriegsausbruch, feierte der Kardinallegat beim nationalen Eucharistischen Kongreß Mussolini wieder als den «Mann der Vorsehung», und neunzehn Erzbischöfe und 57 Bischöfe sandten ihm ein im Osservatore Romano veröffentlichtes Telegramm, worin es heißt: «Das katholische Italien betet für die wachsende Größe seines geliebten Vaterlandes, das durch Ihre Regierung einiger denn je ist.» Während freilich das Volk durchaus nicht die Kriegsbegeisterung der hohen faschistischen und kirchlichen Führer teilte, förderten nach der Untersuchung eines amerikanischen Gelehrten der Harvard Universität wenigstens sieben italienische Kardinäle, 29 Erzbischöfe und 61 Bischöfe den faschistischen Überfall sofort, unter ihnen auch der Kardinalstaatssekretär. «Pacelli», so schrieb am 3. März 1939 Graf du Moulin, Leiter des Referates für Angelegenheiten des Vatikans im deutschen Auswärtigen Amt, «ist stets für ein gutes Verhältnis zu Mussolini und zum faschistischen Italien eingetreten. Insbesondere hat er im Abessinien-Konflikt die nationale Haltung des italienischen Klerus gefördert und unterstützt».

Ungeachtet des 1929 abgeschlossenen Konkordates, das den Bischöfen jede politische Betätigung strikt untersagte, agitierten sie nun in aller Öffentlichkeit sogar für den Krieg. Während 52 Völkerbundstaaten die am 3. Oktober 1935 begonnene Aggression als einen widerrechtlichen Angriffskrieg verdammten, kannte der Enthusiasmus des hohen Klerus kaum noch Grenzen. Von den Kanzeln herab unterstützten die Bischöfe die Parteiredner, riefen zu Spenden für den Sieg auf und opferten selber ihre goldenen Bischofskreuze, Halsketten, Ringe, Medaillen und Uhren. Ja, sie forderten von Klöstern und Wallfahrtsorden die Herausgabe ihrer kostbarsten Votivgeschenke; sie ließen durch- ihre Geistlichen die Bevölkerung zur Metallspende antreiben; sie verboten Diskussionen über die Berechtigung des Krieges; sie feierten die faschistische Gewalttat als «eine gerechte und heilige Sache», «heiligen Krieg», als «Kreuzzug» und segneten Kanonen sowie Bombenflugzeuge, während sie gleichzeitig für die Abessinier zu beten befahlen und behaupteten, Italien erfülle «an dem halbwilden und geistig und religiös zurückgebliebenen Volke eine große zivilisatorische Mission». Der Erzbischof von Mailand, Kardinal Schuster, einer der wildesten Faschisten, dessen Seligsprechungsprozeß man unter Pius XII. betrieb, segnete die ausrückenden Truppen vor der Mailänder Kathedrale, verglich Mussolini mit Cäsar, Augustus und Konstantin, belehrte die Schuljugend, durch das Werk des Duce habe «Gott vom Himmel geantwortet», und erklärte: «Angesichts der schicksalhaften Verbundenheit Italiens und des Vatikans kommt den Italienern der Ehrentitel «Mitarbeiter und Gehilfen Gottes» zu. Wir arbeiten mit Gott zusammen in dieser nationalen und katholischen Mission des Guten, vor allem in diesem Augenblick, in dem auf den Schlachtfeldern Äthiopiens die Fahne Italiens im Triumph das Kreuz Christi vorwärts trägt ... Friede und göttlicher Schutz dem tapferen Heer, das um den Preis des Blutes die Tore Äthiopiens dem katholischen Glauben und der römischen Kultur öffnet!»

Der Kardinalerzbischof von Neapel, Ascalesi, wallfahrtete von Pompeji nach Neapel mit dem Bild der Gottesmutter, wobei Militärmaschinen Flugblätter warfen, die die Heilige Jungfrau, den Faschismus und den abessinischen Krieg im selben Satz verherrlichten.

Man sandte Madonnenbilder sogar nach Afrika, wie die «Madonnina d'Oltremare» - ihr schrieb man wunderwirkende Eigenschaften zu. Nach Einsegnung durch den militärischen Generalvikar Rusticoni und den Kardinal von Neapel wurde sie in Begleitung prominenter Faschisten an Bord des «Conte Grande» gebracht. Mit anderen Schiffen schickte man Kanonen und Giftgas, und die halbnackten Abessinier, die weder Gasmasken noch Schutzräume hatten, fielen ahnungslos den katholischen Kulturbringern zum Opfer. Nach der sogenannten Schlacht von Amba Aradam zählte ein italienischer Hauptmann mehr als 16 000 hingemähte «Feinde». Sie lagen dort, wo das aus der Luft verspritzte, hautverbrennende und lungenzerreißende Gas sie erreicht hatte, und wurden alle, tot oder halbtot, auf dem hygienischsten Weg durch Flammenwerfer beseitigt.

Mitten im Krieg hielt Kardinalstaatssekretär Pacelli einen Vortrag über «Roms heilige Bestimmung», wobei
er mit «Worten hoher Anerkennung» bei den Lateranverträgen verweilte und überhaupt «einen ungewöhnlich augenfälligen Beweis von dem Wunsch nach vatikanisch-italienischer Solidarität» gab.

Als Abessinien unterworfen war, Scharen von Mönchen und Nonnen den katholischen Heeren folgten, feierten die Bischöfe, Kardinäle und apostolischen Vikare von Mailand bis Addis Abeba die «religiöse Bedeutung» des Marsches auf Rom und «das neue römische Reich, das Christi Kreuz in alle Welt tragen wird unter Führung dieses wunderbaren Mannes, des Duce». Und auch der Papst hatte teil an der «triumphierenden Freude des ganzen großen und guten Volkes über den Frieden, der», so sagte er am 12. Mai 1936, «wie man hoffen und annehmen darf, ein wirksamer Beitrag, ein Vorspiel für den wahren Frieden Europas und der Welt sein wird».

Dieser wahre Friede freilich ließ damals und läßt noch immer auf sich warten. Inzwischen gab und gibt es weitere berühmte blutige «Vorspiele» dafür. Das nächste Vorspiel folgte noch im selben Sommer in Spanien und wieder mit intensivster Mitwirkung der katholischen Kirche, die selbstverständlich auch in Italien, bestärkt und bestätigt gleichsam in ihrer Politik durch den glorreichen Ausgang der abessinischen Metzelei, weiter mit Mussolini kollaborierte.

Wie öffentlich das Zusammengehen der katholischen Hierarchie mit dem Faschismus gerade im Land des Papstes war, vermag auch die Schilderung der pompösen Schlußkundgebung des Eucharistischen Kongresses im Mai 1937 in Taranto (Tarent) zu bezeugen, wobei wir dem Bericht der deutschen Jesuitenzeitschrift «Stimmen der Zeit» folgen: «Der Kardinal ging mit dem Allerheiligsten an Bord eines Kriegsschiffes, das die päpstliche Flagge gehißt hatte. Die höchsten Befehlshaber waren um ihn versammelt, und auf anderen Schiffen der Kriegsflotte gaben die übrigen Behörden dem eucharistischen Gott das Ehrengeleit. Die Straßen am Meer entlang waren schwarz von mehr als hunderttausend Menschen. Ein Geschwader von Wasserflugzeugen schwebte langsam in der klaren Luft. Auf allen vor Anker liegenden Kriegsschiffen stand die Besatzung in Parade, um den Segen des vorbeifahrenden Allerheiligsten zu empfangen. An der Torpedostation stieg der Kardinal mit der Monstranz in ein prachtvolles Altarautomobil und zog, begleitet von glänzenden Abordnungen der kirchlichen und weltlichen Verwaltung, aller Truppengattungen, aller Organisationen der Faschistischen Partei und aller Ordensgenossenschaften, unter den Klängen der Musik und dem Wehen der Fahnen durch die phantastisch mit Lichtern und bunten Tuchgehängen geschmückte Stadt.»

Noch am 12. Januar 1938 empfing Mussolini 72 Bischöfe und 2340 Pfarrer im Palazzo Venezia, wo der Erzbischof Nogara in einer Rede Gott bat, dem Duce in allen Schlachten beizustehen zum Gedeihen des christlichen Italiens.

Unmittelbar nach Nogara ergriff der Pfarrer Menossi das Wort: «Exzellenz! Die Priester Italiens flehen auf Ihre Person, auf Ihr Werk als des Wiederherstellers Italiens und Gründers des Reiches, auf die faschistische Regierung den Segen des Herrn und einen ewigen Glorienschein römischer Weisheit und Tugend herab, heute und immerdar. Duce! Die Diener Christi, die Patres des Landvolkes erweisen Ihnen ergebene Ehre. Sie segnen Sie. Sie beteuern Ihnen Treue. Mit frommer Begeisterung, mit der Stimme und dem Herzen des Volkes rufen wir: Heil Duce!» Worauf alle Bischöfe und Priester in den Schrei ausbrachen: «Duce! Duce! Duce!»

Mit Treue und frommer Begeisterung stand der italienische Klerus, zumal der hohe, zu den Faschisten auch bei Eintritt Italiens in den Zweiten Weltkrieg. Der Episkopat sprach bei der Kriegserklärung am 10. Juni 1940 sogleich von einem heiligen Krieg und sandte Mussolini und dem König eine Grußbotschaft. Der Korrespondent der New York Times beim Vatikan, der sich damals nach dem Verhältnis der Kurie zu diesen klerikalen Kriegsdemonstrationen erkundigte, erhielt im vatikanischen Staatssekretariat die Antwort, der Heilige Stuhl sei für alle Katholiken verantwortlich: «Die italienische Geistlichkeit und die italienischen Katholiken haben aber besondere Pflichten gegenüber Italien und werden diesen wie immer in Ehren nachkommen.» Und die vatikanische Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica rief alle Italiener auf, «mit ihrem Blute die treue Pflichterfüllung zu besiegeln».

Dabei war in den letzten Jahren schon genug Blut unter engster Mitwirkung der katholischen Kirche geflossen, nicht nur in Abessinien, sondern mehr noch im Spanischen Bürgerkrieg, dessen Hintergründe und Verlauf wir nun kurz verfolgen wollen.

 

Kirche und Faschismus

Leseprobe

siehe auch:
- Kurzbeschreibung
- Inhaltsverzeichnis
- Leseprobe
- Ausgaben / Bezugsquelle
- Pressestimmen
- Leserstimmen

 

       
           
 

<< zurück

drucken

 

 
 
 
 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 23.12.2003 - Änderungen vorbehalten -