> Person > Special zum 80. Geburtstag > Festakt > Programm> Steffen

 
         
 

Redebeitrag des Freundes und Förderers von Karlheinz Deschner, Herbert Steffen


Lieber Freund Karlheinz Deschner,

gratulieren möchte ich Dir nicht vorrangig dazu, DASS Du achtzig Jahre alt geworden bist. DAS verdankst Du in erster Linie Deinen Eltern und den ererbten guten Genen. Gratulieren will ich Dir dazu, WIE Du es geworden bist. Mit über 50 Büchern hast Du wie kaum ein anderer vor Dir, Aufklärung im besten Sinne des Wortes geleistet.

Aber Aufklärung bedeutet auch Ärgernis; in Deinen Aphorismen schreibst Du : „wer die Welt erhellt, macht ihren Dreck deutlicher“ Nicht von ungefähr hat die Kirche in ihre Bibeltexte das Wort vom ÄRGERNIS eingebaut; heißt es doch: „Ärgernisse müssen zwar in die Welt kommen; aber wehe dem Menschen, durch welchen diese Ärgernisse kommen. Es wäre besser für ihn, es würde ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er würde in die Tiefen des Meeres versenkt.“

Du hattest Glück – das Glück der späten Geburt. Wärst Du 3 0 0 Jahre früher geboren, dann wäre es Dir ganz sicher nicht anders ergangen, als dem Namensgeber meiner Stiftung GIORDANO BRUNO. Man hätte Dich ebenso zu Tode gebracht - aber nicht einfach SO!. Erst nach einem langen, qualvollen Martyrium hätte man Dir eine der Todesarten zugedacht, derer die Mutter Kirche ja so viele kennt, und die Du in tausendfältiger Weise in Deinen Büchern beschrieben hast. Heute sind Deinen Gegnern in dieser Form die Hände gebunden; sie versuchen Dich auf andere Art und Weise mundtot zu machen.

Lieber Karlheinz, einige Deiner Gäste aber auch viele andere haben mich immer wieder gefragt, was der Grund dafür gewesen ist, dass ich Dich seit nunmehr fünfzehn Jahren unterstütze. Meine Antwort ist immer dieselbe und ganz einfach: aus DANKBARKEIT und NOTWENDIGKEIT…

Meine Jugend war geprägt von einer katholischen, tief religiösen Erziehung – im Elternhaus, aber auch und vor allem in einer neun- jährigen Internatszeit. Mit siebzehn schon war ich ein katholischer Fundamentalist - ich weiß deshalb auch, wie Fundamentalisten ticken. Laue Christen waren mir ein Gräuel, getreu dem Bibelspruch: „wärst du doch kalt oder heiß gewesen; da du aber lau warst, speie ich dich aus.“

Den Verlust meines Glaubens verdanke ich aber nicht KHD. Ein mehrwöchiger Aufenthalt im so genannten „Heiligen Land“, die Erfahrung mit der Verlogenheit christlicher Pilger, das Beobachten der handgreiflichen Kämpfe der verschiedenen christlichen Religionsgemeinschaften, vor allem aber das Kennenlernen der Qumranschriften und der erstmalige Kontakt mit dem Gilgamesch-Epos ließen mich aufhorchen. Zu Hause angekommen besorgte ich mir die ersten kirchenkritischen Schriften (Holl und Augstein). Bis dahin hatte ich alle Bücher, die auf dem Index standen, gescheut wie der Teufel das Weihwasser.

In diese Zeit fiel auch mein aufkeimendes Interesse für Evolution und Kosmologie, die mein bisheriges Weltbild völlig veränderten. Was ich da las und was mir bisher in meiner schulischen Ausbildung vorenthalten worden war, öffneten mir mehr und mehr die Augen. Ich musste –und das war ein schmerzhafter Erkenntnisprozess- immer mehr und immer deutlicher erkennen, dass ich mein bisheriges Leben ausgerichtet hatte auf Richtlinien und Gesetze, die auf den Riten einer archaischen Hirtenreligion, vermischt mit Märchen und Mythen des vorderen Orients, aufgebaut waren.

Der dadurch ausgelöste, unaufhaltsame Verlust meines bis dahin fest gefügten Glaubensgebäudes, war sehr, sehr schmerzhaft. So muss es wohl Menschen gehen, die jahrelang stark drogenabhängig aren und dann unvermittelt auf Entzug gesetzt werden. Trotz der Erkenntnis, jahrzentelang einem Wahn gefolgt zu sein und wertvolle Zeit meines Lebens vertan zu haben, fiel mir der letzte Schritt nicht ganz leicht -der Gang zum Amtsgericht, um dort die Urkunde zum Austritt aus einer Kirche zu unterschreiben, deren Priester ich einmal hatte werden wollen und für die ich in meiner Jugend bereit gewesen wäre, mein Leben zu opfern.

Meinen Kirchenaustritt nahm der Ortspfarrer zum Anlass, eine Predigt über Judas Ischariot zu halten, der für dreißig Silberlinge den Herrn verraten hatte. In den nächsten Tagen sprachen mich Dorfbewohner und einige meiner Mitarbeiter darauf an. Sie sagten, bis jetzt kennten Sie mich als einen anständigen Menschen und verständnisvollen Unternehmer. Aber jetzt, wo ich aus der Kirche ausgetreten sei, habe ich damit sicher auch meine bisherigen moralischen Grundsätze verlassen. Man müsse jetzt damit rechnen, dass ich künftig über Leichen gehen werde.

Ein Jahr später konnte ich ihnen beweisen, dass die Zugehörigkeit zu einer Kirche keinesfalls die Voraussetzung dafür ist, dass man ein anständiger Mensch ist. Ich habe eine Gewinnbeteiligung in meinem Unternehmen eingeführt; Jede zweite verdiente Mark floss in die Taschen meiner Mitarbeiter. Mit den Jahren gelang es mir dann mehr und mehr, mich der Mühlsteine, die man mir in den Rucksack meines Lebens gepackt hatte, zu entledigen und langsam zu dem zu finden, was mein Freund und Vorstandskollege in der Stiftung, der Moderator des heutigen Tages, Herr Dr. Schmidt-Salomon, bezeichnet als „die neue Leichtigkeit des Seins.“

Erst Ende der 80ger Jahre kam ich zum ersten mal mit einer kritischen Kirchengeschichte in Verbindung, die mir den Atem verschlug. Es war das Buch „Abermals krähte der Hahn“ von Karlheinz Deschner. Was ich da und in der Folge in seinen anderen Büchern las, bestärkten mich nicht nur in meiner früheren Entscheidung, sie öffneten mir erst die Augen für all das, was mir bis dahin noch weitgehend verborgen geblieben war. Zeigten mir meine früheren Recherchen überwiegend, auf welchen Sand der Fels Petri gebaut war, so schilderte Karlheinz Deschner die schrecklichen Verbrechen der Kirche über Jahrhunderte, die Unterdrückung und Knechtung des Großteils ihrer Mitglieder, und die Verhinderung von echtem Fortschritt für die Menschen.

Ich musste erkennen, dass eine Organisation, die Liebe predigte, in der täglichen Praxis Millionen Menschen auf das schändlichste betrog, sie ihrer Lebensqualität beraubte und immer auf der Seite der Herrschenden und Sieger stand, nie aber auf der Seite der gebeutelten und gequälten Kreatur. Einer meiner früheren Mitabiturienten und späterer Priester sagte mir auf meine Vorhaltungen zu seinem Amt. „die Kirche weidet ihre Schafe, sie mästet ihre Schafe und dann schlachtet sie ihre Schafe.“

Und so wurde aus einem, der schon abgeschlossen hatte mit der Kirche, einer ihrer Gegner; aus einem Paulus wurde ein Saulus; aus einem bis dahin nur an der eigenen Erkenntnis Interessierten wurde einer, der sich vornahm, alles zu tun, auch anderen Menschen die Augen zu öffnen getreu dem Wort von Schopenhauer: „einen Menschen vom Irrtum befreien heißt Geben und nicht Wegnehmen.“

Nun wusste ich, „diesen Karlheinz Deschner musst Du unterstützen mit all Deiner Kraft.“ Und so gab ich ihm die Möglichkeit, sich vorwiegend auf die Arbeit an seinem großen Werk der Kriminalgeschichte zu konzentrieren und auf zeitraubenden Vortragsreisen zu verzichten.

Und nun, lieber Karlheinz, möchte ich Dir meine Geburtstagwünsche aussprechen: Ich wünsche Dir noch einige Jahre Gesundheit und Schaffenskraft, damit Du dein großes Lebenswerk „die Kriminalgeschichte des Christentums“ zu Ende bringst; denn niemand außer Dir ist dazu im Stande.

Und dann wünsche ich Dir noch einige gesunde Jahre, damit Du dann das tun kannst, was Du eigentlich am liebsten tätest: Aphorismen erdenken, Landchaften beschreiben, so oft als möglich Deine geliebten Hassberge durchwandern oder Dir den rauhen Nord- oder Ostseewind durch die verbliebenen Haare wehen lassen.

Lieber Karlheinz, zu einem Geburtstagswunsch gehört immer auch ein Geburtstagsgeschenk. Bevor ich Dir mein Geschenk auspacke musst Du dir noch die kurze Vorgeschichte dazu anhören: Vor einiger Zeit habe ich eine gemeinnützige und staatlich anerkannte Stiftung ins Leben gerufen: die BRUNO GIORDANO STIFTUNG.

Sie verfolgt - in Kurzform gebracht - das Ziel „WISSEN STATT GLAUBEN“ zu vermitteln. Es ist das Ziel der Stiftung, den Menschen eine Kompensation für den Bedeutungsverlust der Religionen zu bieten. Die Stiftung wird – neben vielen anderen Aktivitäten- im Zweijahresrhythmus, einen mit zehntausend Euro dotierten Preis vergeben. Der Preis wird verliehen an Personen oder Organisationen, die sich in besonderem Maße zur Stärkung des säkularen, wissenschaftlichen und humanistischen Denkens und Handelns einsetzen.

Da die Gründer und Förderer der Stiftung für die Menschen im Diesseits arbeiten, da es für sie ja auch nur ein Diesseits gibt, soll auch der Namensgeber des Preises ein DIESSEITIGER, also ein lebendiger Mensch sein. Es soll aber auch ein Mensch sein, der sich nach Auffassung der Verantwortlichen der Stiftung wie kein zweiter Diesseitiger für die Anliegen der Stiftung verdient gemacht hat. Und wer könnte diesem Anspruch eher gerecht werden als der Jubilar
dieser Feier: KARLHEINZ DESCHNER? Der Preis der Stiftung trägt deshalb DEINEN Namen und heißt: DESCHNER-PREIS!

Nun möchte ich Dir, lieber Karlheinz, diese URKUNDE überreichen und hoffe, dass dieser Preis einen kleinen Beitrag dazu leisten wird, Deinen Namen in die Zukunft fortzuschreiben.

 

80. Geburtstag

Redebeitrag
Herbert Steffen

 

 

 

 

     
           
 

<< zurück

drucken

 

 
 
 
 

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 06.03.04 - Änderungen vorbehalten -