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Redebeitrag des Vorsitzenden des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), Rudolf Ladwig

 

Sehr geehrter Herr Dr. Deschner,
meine Damen und Herren,

üblicherweise spräche an dieser Stelle womöglich ein ‚geweihter’ Priester einer großen christlichen Kirche und nicht ein gewählter Repräsentant eines kleinen politischen Interessenverbandes der Nichtreligiösen. Die Einladung an mich, für welche ich den Veranstaltern danke, hat ja bereits im Vorfeld zu Kritik in den lokalen Medien geführt. Die womöglich darob sehr gesteigerte Erwartung, ich möge hier einen gar sensationellen Eklat verursachen, welcher die altehrwürdige Stadt Haßfurt in ihren Grundfesten erschüttert, werde ich jedoch gewiss enttäuschen.

„Die falschen Propheten der Atheisten heißen Feuerbach, Marx, Nietzsche und Deschner!“ So oder ähnlich formuliert, lautet ein nicht nur gelegentlich von religiöser Seite erhobener Vorwurf. Sind Sie, Herr Deschner, womöglich ein Guru? Findet hier im Saal etwa der vorläufige Gipfel eines fragwürdigen Personenkultes statt? Einige der Briefe, welche der Jubilar in den letzten Jahrzehnten erhielt und die im Buch „Sie Oberteufel“ dokumentiert wurden, beweisen, dass es durchaus auch eine autoritätssüchtige Perzeption des umfangreichen Deschner’schen OEuvres durch Einzelne gibt.

Sie widerspricht aber eklatant dem Selbstverständnis des derart Verehrten! Deschner hat keine Jünger rekrutiert, keine "Schule" oder "Lehre" begründet, ihn umgibt eben nicht eine Entourage mit kultisch gestützten autoritären Strukturen ökonomischer oder gar sexueller Hingabe bzw. Ausbeutung. Er heiligt ja auch nicht nonchalant ‚erleuchtete höhere Wahrheiten’, sondern exhumiert mühsam und beleuchtet wohl dokumentiert etliche absichtsvoll verschwiegene profane Fakten des „christlichen Abendlandes“. Alles erarbeitet Deschner außerhalb des etablierten Wissenschaftsbetriebes – ja, im Grunde gegen etliche der dort staatlich finanzierten, jedoch kirchlich lizenzierten, Theologen. Hierbei erhielt er Unterstützung durch privates Engagement. Verehrte Anwesende, erlauben Sie mir bitte, hierfür – stellvertretend – Herrn Herbert Steffen auch unseren Dank auszusprechen.

Deschner schreibt in „Was ich denke“, er könnte sich Anarchist nennen, oder Sozialist, Pazifist, Individualist, Humanist oder Demokrat – wenn da nicht die gelegentlich vertrackte Geschichte dieser Ismen wäre! Vereinnahmen lassen will er sich nicht: „Von keiner Seite. Weder von rechts noch von links noch von der Mitte“. Dies gipfelt in dem distanziert - spitzfingerigen Naserümpfen: „Ich würde mich für viele Ideen begeistern, wären nicht deren Verfechter.“ Und nun spricht hier ausgerechnet so ein Verfechter!“

Somit liegt die Bedeutung des dezidierten Individualisten Karlheinz Deschner für die säkular-freigeistigen Verbände hierzulande auch nicht in dessen etwaiger direkter Beteiligung am Vereinsleben. Haben in früheren Jahrzehnten diese Verbände gelegentlich Deschnerlesungen veranstaltet, so mussten in den letzten Jahren schon – allerdings längst überfällige! - Preise an Deschner verliehen werden, um diesen viel beschäftigten „empörten Menschenfreund“ (so apostrophierte ihn Johannes Neumann) öffentlich erleben zu können.

Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten, dessen Ehren- und Beiratsmitglied Karlheinz Deschner seit vielen Jahren ist, hat ihm im Jahr 2001 den Erwin-Fischer - Preis verliehen – für seine Publikationen auf dem Gebiet der ‚Aufklärung über Wesen, Funktion, Strukturen und Herrschaftsansprüche von Religionen’. In seiner damaligen Laudatio auf Deschner, nannte Ludger Lütkehaus ihn einen Moralisten, der den biblischen Grundsatz, „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ auf die Geschichte des Christentums anwendet.
Dies bedeutet aber nicht, dass zwar die Kirche mangelhaft sein möge, die Bibel jedoch als ethisches Fundament unverzichtbar. Die dazu einschlägige und lange vergriffene Bibelkritik von Franz Buggle, „Denn sie wissen nicht, was sie glauben“, welche der Ideologiekritiker Hans Albert als „eine ganz ausgezeichnete Analyse der aktuellen religiösen Situation“ bezeichnet hat, liegt ja jetzt endlich wieder in einer überarbeiteten Neuauflage vor.

Seit dem Sommer 2003 betreibt der IBKA das meistfrequentierte webbasierte Diskussionsforum zu Weltanschauungsfragen auf nichtreligiöser Basis im deutschen Sprachraum. Dort, im ‚Freigeisterhaus’, gibt es als Spezialität auch ein ‚Deschner - Forum’. Darin merkte kürzlich ein kirchlicher Seelsorger an: „Insgesamt wäre es doch mal sehr interessant, wieviel [sic!] Kirchenaustritte auf das Konto des Herrn Deschner gehen.“ Es ist evident, dass diese Frage nur mit erheblichem Aufwand empirisch zu klären wäre. Allerdings höre ich immer wieder von Einzelnen, das ihnen die Lektüre der Werke Deschners zum Anlass wurde, die eigene Trägheit zu überwinden und sich endlich offiziell von Kirche zu absentieren. Viel wichtiger scheint mir hierbei aber ein anderer Punkt zu sein: Der "Verlust" des im Kleinkindalter induzierten Glaubens, die Befreiung von einer durch andere veranlassten Mitgliedschaft, sind kein Schaden, sondern ein Gewinn! Deschner beraubt die Menschen nicht, er verhilft ihnen, sich zu emanzipieren.

Der Kirchenaustritt allein reduziert jedoch noch nicht den Einfluss der Kirchen auf ein proportionales Maß. Obwohl in Brandenburg über 70% der Bevölkerung konfessionslos sind und nur 3% überhaupt noch der katholischen Kirche angehören, hat dort der Landtag in diesem Frühjahr ein in Geheimverhandlungen entstandenes Konkordat mit dem ‚Heiligen Stuhl’ ratifiziert. Die säkular-freigeistigen Verbände sind von einer gesellschaftlichen Gegenmacht noch sehr weit entfernt. Deren gemeinsamer Protest hatte zuvor jedoch aufschiebende Wirkung und erzwang – statt des sonst üblichen Durchwinkens -, im Potsdamer Landtag eine bisher in Kirchenfragen generell ganz unübliche Fachanhörung. Trotzdem konnte die völkerrechtlich dauerhafte Selbstentäußerung des parlamentarischen Haushaltsrechtes bezüglich kirchlicher Dauersubventionen noch nicht verhindert werden.

Am 8. Juli 2004 wird – auf Vorschlag der säkular-freigeistigen Verbände - zum Gedenken an den 200. Geburtstag von Ludwig Feuerbach ein Sonderpostwertzeichen zu 1,44 € erscheinen. Feuerbach war Franke – wie Deschner, der ja zudem auch Feuerbach-Preisträger des Bundes für Geistesfreiheit Bayern ist. Auch wir hier im Saal können dazu beitragen, dass solche exzeptionellen Religionskritiker nicht erst posthum nach über 130 Jahren geehrt werden. Auf eine etwaig philatelistische Harmlosigkeit lassen sich so anstößig - anstoßende Denker, wie Feuerbach und Deschner, ja auch gar nicht reduzieren.

Zu der vierten Erwin-Fischer - Preisverleihung und der darum konzipierten Tagung zum Thema „Wissen statt Glauben“, vom 25.-26. September 2004 in Köln, möchte ich Sie alle herzlich einladen. Wir werden diesen Kongress übrigens in Kooperation mit der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften (GWUP) durchführen sowie mit einem der heutigen Veranstalter, der Giordano-Bruno-Stiftung.

Wie Sie wissen, wurde Bruno verbrannt. Manche Frommen würden – dies zeigen die Hassbriefe nach Haßfurt - wohl gerne mit Deschner ähnlich verfahren. Ich gestehe, dass mir daher die Kombination beider Namen etwas unbehaglich anmutet. Die Verfolgung, welche die letzte Erwin-Fischer – Preisträgerin, die bengalische Schriftstellerin Taslima Nasrin in ihrem Geburtsland erfährt, zeigt, dass das „Verbrechen“ der Blasphemie – also der Hass der Frommen als Reaktion auf offenbar so leicht verletzbare religiöse Gefühle – zumindest andernorts immer noch mörderische Konsequenzen zeitigen kann. Wenn ich Sie, verehrter Herr Deschner, jedoch dort gelassen sitzen sehe, wünsche ich uns allen die nämliche Zivilcourage.

Wir brauchen bürgerschaftliches Engagement; welches beispielsweise das hiesige Ansinnen und längst andernorts begonnene Praktik, Folter wieder als legitimes Instrument, diesmal der Exekutive und nicht der Judikative, zu rehabilitieren, als Missachtung der Menschenwürde, universellen Menschenrechte, der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit begreift. Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird – so Benjamin Franklin - letztlich beides verlieren.

Bezeichnenderweise wird die zugrunde liegende manichäische „wir die Guten, sie die Bösen“ - Logik beiderseits vehement auch von Religion gespeist. Es geht also auch künftig mitnichten um einen lediglich akademischen Streit über unterschiedliche historische Betrachtungen zur kirchlichen Vergangenheit: das Gefährdungspotential durch religiöses Denken – welches nicht immer unbedingt auch theistisch daherkommt - ist weltweit durchaus weiterhin virulent.

Jetzt ist hier für mich nicht die Gelegenheit, den komplexen Zusammenhang von Säkularisierung, Individualisierung, Globalisierung und Wiederkehr des Religiösen näher zu beleuchten versuchen.

Sehr geehrter Herr Deschner, sie sinnierten einmal: „Das meiste im Leben sind Abhaltungen vom eigentlich Wichtigen. – Das eigentlich Wichtige? Das Schreiben! Obwohl …“


Ich hoffe, Sie lassen sich heute gerne abhalten. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 80. Geburtstag!


 

80. Geburtstag

Redebeitrag
Rudolf Ladwig

 

 

 

 

     
           
 

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