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Deutschlandfunk, 23.5.04
Vor 80 Jahren
Karlheinz Deschner, Kirchenhistoriker und Schriftsteller, geboren
Von Peter Hertel
Die Urteile über Karlheinz Deschner könnten kaum gegensätzlicher
sein. Die Zürcher Weltwoche etikettierte ihn als profiliertesten
schärfsten Kirchengegner von heute, die Frankfurter Allgemeine als
Meister in Diffamierung und Verfälschung. Er selbst sieht sich als
Ankläger und Richter zugleich.
Das ist aus voller Überzeugung von mir gesprochen worden; denn Apologeten
gibt es tausendweise, und gerade die Ankläger fehlen, ganz besonders
im Zusammenhang mit dem Christentum.
Mit 32 Jahren brachte Karl Heinrich Leopold Deschner, am 23. Mai 1924
in Bamberg geboren, sein erstes Buch heraus, einen Roman. Er veröffentlichte
Literaturkritiken, Essays und Aphorismen. Doch 35 seiner knapp 50 Bücher
hat er dem schrecklichen Sündenregister der christlichen Kirchen
gewidmet. Das hat ihn international bekannt gemacht.
Es gibt keine andere Religion der Welt, und es gibt auch keine andere
Dynastie weltlicher Art, die so sehr und so lange mit Verbrechen aller
Art beladen und belastet ist wie die christliche Kirche.
Deschners Hauptwerk heißt: Kriminalgeschichte des Christentums.
Sie ist auf zehn Bände angelegt, der erste erschien 1986. Mit zähem
Spürsinn denunziert der Autor insbesondere die katholische Kirche
als unheilvolle Macht, stürzt gnadenlos Heilige und Päpste vom
Sockel.
Es geht ja darum, dass in der Kirchengeschichte sich alles um ein Phänomen
dreht - um das Wort Macht, Macht, Macht. Das ist eine Besessenheit, die
das ganze Geschehen diktiert, damit ist das Geld verbunden, damit sind
die Kriege verbunden, damit sind die Raubzüge verbunden, damit ist
das Belügen der Gläubigen verbunden. Das ist etwas Generelles,
das sich durch die ganze Geschichte hindurchzieht und das selbst Päpste
und hohe Kleriker betrifft, die persönlich vielleicht von Jugend
auf sehr gut gesinnte Menschen sind, aber die in dem Moment, in dem sie
in die ganze Apparatur hineinkommen, sozusagen vergewaltigt werden; die
gar keine Möglichkeit haben, auszuweichen, oder die schnell kaltgestellt
werden.
Spätestens im neuesten Band der Kriminalgeschichte, dem achten, der
im März erschienen ist, wird klar, dass es dem Jubilar nicht nur
um das Papsttum und die katholische Kirche geht, sondern um das Christentum
überhaupt. Da behandelt er nämlich das 16. Jahrhundert, nimmt
sich deshalb auch die Reformation samt Martin Luther vor und legt näher
dar, was er schon vor einigen Jahren beißend angedeutet hatte:
Also Luther war ein sehr, sehr übler - nach einer flüchtigen
frühen philosemitischen Phase - sehr, sehr übler Antisemit,
an der Verbrennung der Ketzer hielt er fest, an den Fürsten hielt
er fest, am Kriegsdienst - und das Ganze nennt man dann Reformation.
Seine Schulzeit hat Deschner in katholischen Internaten verbracht. Mit
zehn wollte er Priester werden, später hat er unter anderem Theologie
studiert. 1951 heiratete er eine geschiedene Frau und wurde exkommuniziert,
also von den Sakramenten ausgeschlossen. Er trat aus der katholischen
Kirche aus und entwickelte eine unerbittliche Feindschaft gegen sie, wie
er gleich zu Beginn seiner christlichen Kriminalgeschichte offen bekennt.
Dabei legt er sie wie das gesamte Christentum auf eine Idealform fest,
um so die Kehrseite schärfer herausarbeiten und den Feind rigoroser
attackieren zu können. Das ist die Stärke des scharfzüngigen
Provokateurs.
Ich bin ein Radikalist, aber ich möchte gleich auch noch da zufügen
dürfen, dass meine Radikalität eben geistiger Art ist, während
die Radikalität meiner verschiedenen Gegner - nicht nur kirchlichen
- im Laufe der Geschichte immer wenn es sein musste, und gewöhnlich
musste es ja sein, über Leichen ging.
Hier zeigt sich, dass die Stärke des parteiischen Kämpfers auch
seine Schwäche ist. Während er sich selbst als moralisch intakt
präsentiert, beschuldigt er seine Gegner kollektiv als Übeltäter.
Die aber finden offene Ohren, wenn sie ihm deshalb blinden Hass vorwerfen.
Umso leichter fällt es ihnen, die scharfzüngigen Anklagen des
Widersachers, selbst die hieb- und stichfesten unter ihnen, als Vorurteile
zu verdammen. Und sie so wegzudrücken.
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